Nein, Herr Rietzschel, Dilettanten sind keine "Meister der Blendung". Zunächst ist ein Dilettant nur jemand, der das, was er macht, noch nicht häufig genug getan hat und noch nicht genügend reflektiert hat. Oder jemand, der etwas als Hobby betreibt, ohne Anspruch auf große Erfolge.
Das andere, da haben Sie vollkommen recht, nämlich diejenigen, die dilettieren, aber niemand darf ihnen das vorwerfen, bzw. die darüber hinweg täuschen, die nennt man Blender.
Was ich auch nicht verstehe: warum hat die Stunde der Dilettanten erst jetzt geschlagen? Solche Dilettanten oder auch Blender gab es schon immer. In der Elitesoziologie findet man die Aussage, dass nicht die intelligentesten, sondern die durchsetzungsfähigsten (rücksichtslosesten) Menschen oftmals die Hierarchie erklimmen. Dafür ist ein durch Konkurrenz betriebenes Gesellschaftssystem eben besonders anfällig.
Siehe zum Beispiel George Bush.
Dilettanten sind mir im übrigen überaus sympathisch. Zumindest, wenn sie wissen, dass sie Dilettanten sind und mit ihren Hobbys keine Ansprüche an die Gesellschaft oder auf verantwortungsvolle Positionen stellen.
Mit anderen Worten (und um auf mein Metier zurückzugreifen): wenn jemand ein Buch geschrieben hat, bzw. sich eine verworrene Geschichte zusammendilettiert hat und jetzt sofort einen Vertrag mit einem Verlag haben möchte, eventuell sogar von mir die Bestätigung, dass ihr Buch auf jeden Fall veröffentlicht wird, dann kriege ich (innerlich) einen Herzkasper.
Neulich hatte ich eine Kundin, weit über die 60, die Geschichten aus ihrem Leben aufgeschrieben hat. Sie wollte, dass jemand "Professionelles" über ihre Texte schaut. Sie selbst habe, so die Frau, wenig Ahnung von der Materie. Vermutlich lag es auch an dieser Bescheidenheit, dass die Geschichten hübsch geschrieben, stilistisch eingängig, aber trotzdem mit einem gewissen Eigensinn und insgesamt informativ und vergnüglich waren. Wenn es für uns Schreibcoaches eine immer wiederkehrende Erfahrung gibt, dann diese: Demut führt zu Distanz, Distanz ermöglicht Reflexion und Reflexion ermöglicht ein qualitativ besseres Schreiben.
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