Das Coachen von wissenschaftlichen und journalistischen Büchern macht mir, mit leichten Schwankungen, immer noch Spaß. Umso mehr, als ich kaum Werbung machen muss.
Montags betreue ich zwei Jugendliche aus 'problematischen' Familien, vor allem in Bezug auf den Deutschunterricht, die beide in derselben Klassenstufe wie mein Sohn sind (nicht auf derselben Schule).
Hier wie dort eröffnen sich aber ähnliche Probleme. Es geht um das Lesen. Hier wird es im Media-Mania-Magazin in der Dezember-Ausgabe von mir einen kurzen, eher journalistisch gehaltenen Artikel geben, der gegen das sinnentnehmende Lesen argumentiert. Tatsächlich ist - so finde ich mittlerweile - der Begriff des sinnentnehmenden Lesens dermaßen missverständlich, dass ich ihn in meinen Giftschrank der dummen Begriffe gepackt habe.
Verstehen wird immer an Sinnentnahme angekoppelt. Fragen Sie ruhig mal nach: eigentlich weiß kein Mensch, was Verstehen ist. Zumindest kann niemand es definieren. Trotzdem wird es gerne und ständig verwendet. Auch hier empfehle ich: weg mit dem Wort, auch wenn man Wissenschaftler ist oder Student einer Wissenschaft.
Aber fragen Sie nach! Die Reaktionen sind wirklich erstaunlich. Vom verzweifelten Händeringen bis zu Wutausbrüchen können Sie hier alles erleben.
Trotzdem muss man ja irgendwie mit wissenschaftlichen Texten umgehen.
Zur Zeit arbeite ich mit Markus, meinem einen 'Schüler', an Inhaltsangaben von Balladen. Balladen eignen sich sehr, um Grundtechniken des wissenschaftlichen Verstehens einzuüben.
1. Technik: Fragen stellen
Beim Lesen eines wissenschaftlichen Textes sollten Sie immer ein Papier zur Seite liegen haben. Notieren Sie jede Frage, die Ihnen einfällt, auch die 'dümmste'.
Fragen zu stellen ist ein hervorragendes Training des 'Neugierverhaltens'. Wie man aus Fachbüchern der Emotionspsychologie und der Neurophysiologie lernen kann, ist Neugierverhalten eine der wohltuendsten Eigenschaften für ein erfülltes Leben. Und wenn man das Ganze nicht so esoterisch ausdrücken will: Neugier ist die Fähigkeit, ein Thema zu bearbeiten, ihm seine Geheimnisse zu entlocken, nicht, es zu besitzen.
Themen besitzt man nicht. Themen sind gesellschaftliche Konstruktionen. Und selbst wenn ich zu einem Thema alles mir bekannte Wissen bearbeitet habe, kommt irgend ein Hansel an und äußert dazu einen neuen Aspekt. Themen lassen sich nicht kontrollieren. Und genau dies korrespondiert mit der Neugier.
Fragen stellen beantwortet nichts. Fragen stellen öffnet die Themen.
2. Technik: Teilüberschriften finden
Ein Text besteht aus vielen Wörtern. (Sieh mal an!)
Das Gehirn speichert seine Informationen über das Nadelöhr des Arbeitsgedächtnisses. Dieses Arbeitsgedächtnis kann zwischen drei bis neun Informationen gleichzeitig speichern, wobei die meisten Menschen etwa fünf bis sechs Informationen behalten. Menschen, die circa drei Informationen gleichzeitig behalten, werden oft als lernbehindert bezeichnet, während Menschen, die neun Informationen behalten können, als hochbegabt gelten.
Trotzdem: ein Text besteht aus vielen Wörtern. Jedenfalls aus wesentlich mehr als neun.
Um sich einen Text übersichtlich zu machen, muss man sich den Text einteilen. Überschriften, Unter-Überschriften, usw. gliedern vom Autor her den Text. Ingeborg Kriwet - Professorin der Sonderpädagogik a. D. - hatte mir vor fünfzehn Jahren schon mal gesagt, das Wichtigste sei, zunächst beim Inhaltsverzeichnis zu bleiben und sich dieses gut anzuschauen. Man könnte fast sagen: darüber zu meditieren.
Wissenschaftliche Texte zeichnen sich meist durch lange Kapitel aus. Auch diese werden rasch unüberschaubar. Und genau hier greift dann die Technik, Teilüberschriften zu finden. Damit gliedert man sich ein Kapitel und zwingt sich dazu, den Kern eines Absatzes oder Abschnitts zu formulieren.
Mehr noch: hatte man sich zuvor auf die Abfolge durch den Autor verlassen, muss man sich jetzt die sinnhafte Abfolge selbst herstellen.
Deshalb ist diese 'Lesetechnik' äußerst intensiv. Zwar dauert das Lesen dadurch auch viel länger, aber die genaue Beschäftigung macht hier vieles wett.
3. Technik: Clustern
Cluster sind 'Ideenwolken', 'Ideenlandkarten' (Anleitung siehe hier). Weil Cluster die Assoziationen mit anderen Begriffen, Ideen und Phänomenen herstellen, sind sie eher analytisch als kreativ.
Zum Clustern gehört aber auch sehr notwendig das anschließende Essay. Gabriele Rico, die die Technik des Clusters entwickelt hat, spricht in ihrem Buch 'Garantiert schreiben lernen' sehr explizit von Übersetzungen. Clustern hatte ich in meiner Rezension zu diesen Buch folgendermaßen beschrieben:
Und damit dürfte auch klar sein, dass Cluster nur eine Form in einem Prozess sind.
Wenn Sie also clustern, dann schreiben Sie danach auch aus diesen Clustern Textchen. Diese dürfen ohne Anspruch sein. Denn zunächst sind die ja nur für Sie.
4. Technik: Zettelkästen
Kaum ein Uniprofessor nutzt noch Zettelkästen. Ein deutlicher Fehler, unter uns gesagt. Zettelkästen entwickeln, wenn man sie kontinuierlich füllt, ein erstaunliches Eigenleben. Sie verraten einem Ideen, auf die man ohne sie nicht gekommen wäre.
Einen guten elektronischen Zettelkasten finden Sie - kostenlos - hier.
Montags betreue ich zwei Jugendliche aus 'problematischen' Familien, vor allem in Bezug auf den Deutschunterricht, die beide in derselben Klassenstufe wie mein Sohn sind (nicht auf derselben Schule).
Hier wie dort eröffnen sich aber ähnliche Probleme. Es geht um das Lesen. Hier wird es im Media-Mania-Magazin in der Dezember-Ausgabe von mir einen kurzen, eher journalistisch gehaltenen Artikel geben, der gegen das sinnentnehmende Lesen argumentiert. Tatsächlich ist - so finde ich mittlerweile - der Begriff des sinnentnehmenden Lesens dermaßen missverständlich, dass ich ihn in meinen Giftschrank der dummen Begriffe gepackt habe.
Verstehen wird immer an Sinnentnahme angekoppelt. Fragen Sie ruhig mal nach: eigentlich weiß kein Mensch, was Verstehen ist. Zumindest kann niemand es definieren. Trotzdem wird es gerne und ständig verwendet. Auch hier empfehle ich: weg mit dem Wort, auch wenn man Wissenschaftler ist oder Student einer Wissenschaft.
Aber fragen Sie nach! Die Reaktionen sind wirklich erstaunlich. Vom verzweifelten Händeringen bis zu Wutausbrüchen können Sie hier alles erleben.
Trotzdem muss man ja irgendwie mit wissenschaftlichen Texten umgehen.
Zur Zeit arbeite ich mit Markus, meinem einen 'Schüler', an Inhaltsangaben von Balladen. Balladen eignen sich sehr, um Grundtechniken des wissenschaftlichen Verstehens einzuüben.
1. Technik: Fragen stellen
Beim Lesen eines wissenschaftlichen Textes sollten Sie immer ein Papier zur Seite liegen haben. Notieren Sie jede Frage, die Ihnen einfällt, auch die 'dümmste'.
Fragen zu stellen ist ein hervorragendes Training des 'Neugierverhaltens'. Wie man aus Fachbüchern der Emotionspsychologie und der Neurophysiologie lernen kann, ist Neugierverhalten eine der wohltuendsten Eigenschaften für ein erfülltes Leben. Und wenn man das Ganze nicht so esoterisch ausdrücken will: Neugier ist die Fähigkeit, ein Thema zu bearbeiten, ihm seine Geheimnisse zu entlocken, nicht, es zu besitzen.
Themen besitzt man nicht. Themen sind gesellschaftliche Konstruktionen. Und selbst wenn ich zu einem Thema alles mir bekannte Wissen bearbeitet habe, kommt irgend ein Hansel an und äußert dazu einen neuen Aspekt. Themen lassen sich nicht kontrollieren. Und genau dies korrespondiert mit der Neugier.
Fragen stellen beantwortet nichts. Fragen stellen öffnet die Themen.
2. Technik: Teilüberschriften finden
Ein Text besteht aus vielen Wörtern. (Sieh mal an!)
Das Gehirn speichert seine Informationen über das Nadelöhr des Arbeitsgedächtnisses. Dieses Arbeitsgedächtnis kann zwischen drei bis neun Informationen gleichzeitig speichern, wobei die meisten Menschen etwa fünf bis sechs Informationen behalten. Menschen, die circa drei Informationen gleichzeitig behalten, werden oft als lernbehindert bezeichnet, während Menschen, die neun Informationen behalten können, als hochbegabt gelten.
Trotzdem: ein Text besteht aus vielen Wörtern. Jedenfalls aus wesentlich mehr als neun.
Um sich einen Text übersichtlich zu machen, muss man sich den Text einteilen. Überschriften, Unter-Überschriften, usw. gliedern vom Autor her den Text. Ingeborg Kriwet - Professorin der Sonderpädagogik a. D. - hatte mir vor fünfzehn Jahren schon mal gesagt, das Wichtigste sei, zunächst beim Inhaltsverzeichnis zu bleiben und sich dieses gut anzuschauen. Man könnte fast sagen: darüber zu meditieren.
Wissenschaftliche Texte zeichnen sich meist durch lange Kapitel aus. Auch diese werden rasch unüberschaubar. Und genau hier greift dann die Technik, Teilüberschriften zu finden. Damit gliedert man sich ein Kapitel und zwingt sich dazu, den Kern eines Absatzes oder Abschnitts zu formulieren.
Mehr noch: hatte man sich zuvor auf die Abfolge durch den Autor verlassen, muss man sich jetzt die sinnhafte Abfolge selbst herstellen.
Deshalb ist diese 'Lesetechnik' äußerst intensiv. Zwar dauert das Lesen dadurch auch viel länger, aber die genaue Beschäftigung macht hier vieles wett.
3. Technik: Clustern
Cluster sind 'Ideenwolken', 'Ideenlandkarten' (Anleitung siehe hier). Weil Cluster die Assoziationen mit anderen Begriffen, Ideen und Phänomenen herstellen, sind sie eher analytisch als kreativ.
Zum Clustern gehört aber auch sehr notwendig das anschließende Essay. Gabriele Rico, die die Technik des Clusters entwickelt hat, spricht in ihrem Buch 'Garantiert schreiben lernen' sehr explizit von Übersetzungen. Clustern hatte ich in meiner Rezension zu diesen Buch folgendermaßen beschrieben:
Clustering bildet für Rico allerdings immer nur einen Zwischenschritt. Er ist enorm wichtig, aber nie als Endprodukt zu verstehen. Fast jede Übung beginnt zwar mit einem Cluster, endet aber mit einem Text. Diese Texte und einzelne ihrer Elemente sind Inhalt des fünften bis neunten Kapitels. Dabei häufen sich in diesen Kapiteln Wörter, die zum Übersetzen gehören. Nichts anderes ist das Clustern: eine Übersetzung. Nicht in eine andere Sprache, sondern in eine andere Form. Und nichts anderes sind die Texte, die aus den Clustern entstehen: wiederum Übersetzungen.Es sind also Übersetzungsprozesse, die eigentlich das Clustern ausmachen. (Zur Übersetzung ist nicht nur Walter Benjamins Aufsatz 'Die Aufgabe des Übersetzers', GW Bd. IV,1 S. 9-21, interessant, sondern auch die Sammelbände 'Übersetzen: Walter Benjamin': Hart Nibbrig, Christiaan (Hrsg.), Frankfurt am Main 2001, und 'Übersetzung und Dekonstruktion': Hirsch, Alfred (Hrsg.), Frankfurt am Main 1997, spannend zu lesen.)
(gesamte Rezension siehe hier)
Und damit dürfte auch klar sein, dass Cluster nur eine Form in einem Prozess sind.
Wenn Sie also clustern, dann schreiben Sie danach auch aus diesen Clustern Textchen. Diese dürfen ohne Anspruch sein. Denn zunächst sind die ja nur für Sie.
4. Technik: Zettelkästen
Kaum ein Uniprofessor nutzt noch Zettelkästen. Ein deutlicher Fehler, unter uns gesagt. Zettelkästen entwickeln, wenn man sie kontinuierlich füllt, ein erstaunliches Eigenleben. Sie verraten einem Ideen, auf die man ohne sie nicht gekommen wäre.
Einen guten elektronischen Zettelkasten finden Sie - kostenlos - hier.
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