Lange Zeit habe ich hier nicht mehr geschrieben; sogar ein Mensch, der mir eigentlich nicht sonderlich nahe steht, hat nachgefragt. Was unter anderem aber auch daran liegt, dass eine gewisse Person vor einigen Jahren behauptet hat, ich sei gestorben. Und seitdem hält sich das Gerücht meines kurzfristigen Ablebens doch hartnäckig.
Was habe ich gemacht?
Bücher, Bücher, Bücher
Žižek und Scrum
Natürlich habe ich gelesen. Gelesen habe ich z.B. Žižek. Das ist nichts Neues. Allerdings habe ich mich etwas ausführlicher mit seinen Büchern Die Metastasen des Genießens und Parallaxe beschäftigt. Nebenher lese ich Bücher über Lacan, den Widmer (Subversion des Begehrens) und Borch-Jacobsen (Lacan - Herr und Meister) und Bowie (Lacan). Sehr fasziniert war ich auch von dem Buch Soziologie der Praktiken von Robert Schmidt, insbesondere von dem Kapitel über Scrum. Dazu muss man wissen, dass Scrum eine Organisationsform des Programmierens ist, die mit der früher üblichen Organisationsform deutlich bricht und eine „flache Hierarchie“ und metakognitive Kompetenzen in den Mittelpunkt stellt. Die metakognitiven Kompetenzen, daran erinnert ihr euch vielleicht, haben mich über einige Jahre hinweg ziemlich beschäftigt, und da ich mich im Moment hauptsächlich mit dem Programmieren beschäftige, habe ich hier einen schönen Anknüpfungspunkt gefunden.
Politische Emotionen
Manchmal trifft man aber auch auf Bücher, denen man kein Wort glaubt, die einem aber in der Seele so gut tun, weil sie alles, worüber man resigniert, trotzdem behaupten. Ein solches Buch habe ich mit Politische Emotionen von Martha Nussbaum gefunden. Das erste, was mir an dieser Frau imponiert, ist, dass sie unglaublich belesen ist. Außerdem kann sie über weite Strecken dermaßen scharf argumentieren, dass ich mich kaum dieser blendenden Faszination entziehen konnte; ich war gefesselt, ich konnte mich nicht satt lesen. Und trotzdem. Ähnlich wie bei Hannah Arendt taucht auch bei Nussbaum in mir sofort Widerspruchsgeist auf, und ich würde mich jetzt gründlichst danach fragen, ob dies nicht daran liegt, dass ich es hier mit einer Autorin zu tun habe, also mit einer Frau, die Philosophie treibt, und dann auch noch politische Philosophie. Mich beruhigt, dass meine Reaktion auf Judith Butler und Luce Irigaray ganz anders gewesen sind.
Was beunruhigt mich nun an diesem Buch? Mich beunruhigt, dass die Emotionen hier ausschließlich politisch gelesen werden. Meine Auffassung von Emotionen ist deutlich durch die Evolutionsbiologie geleitet und dann vor allem auch durch die Aussage, dass man seinen Emotionen Widerstand leisten müsse, um zu einer gewissen Freiheit zu gelangen. Dieses letzte Argument stütze ich, wenn auch noch recht dürftig, zum einen auf Vygotsky, bzw. eigentlich noch auf Pawlow, der eine „Freiheitsreaktion“ in Bezug auf das eigene instinktive Handeln behauptet hat; und zum anderen auf die (ethische) Forderung der Psychoanalyse, sich der Gegenübertragung zu widersetzen, also sich nicht zum Spielball ansteckender Emotionen zu machen.
Das ist aber nur der eine Vektor, der mich gegenüber Nussbaum misstrauisch macht. Ein anderer Aspekt ist, dass sie deutlich all jene Emotionen bevorzugt, die Guilford als synthetische Emotionen beschreibt. Guilford hat die Emotionen in zwei große Kategorien eingeteilt, die synthetischen und die analytischen. Letzten Endes, so möchte ich behaupten, sind die analytischen Emotionen grundlegend für ein wissenschaftliches Neugierverhalten; und insofern kann ich den Ausführungen von Nussbaum nur bedingt folgen, da für mich die Wissenschaftlichkeit höher steht als demokratische Prozesse (die Nussbaum im Sinn hat).
Programmieren
Im Auftrag der Inhaltsanalyse
Habe ich noch mehr gelesen? Auf jeden Fall. In den letzten Wochen habe ich, wie ich schon einmal geschrieben habe, an einem Programm zur Analyse von semantischen Rollen gearbeitet. Eine semantische Rolle ist zunächst eine Kategorie, die man auf Satzteile anwendet. Es geht also um die Analyse eines Satzes, allerdings nicht in einem rein grammatischen Sinne, sondern in Bezug auf die Bedeutung des Satzes, wobei die Grammatik allerdings eine wichtige Rolle spielt. Ich hatte mit zahlreichen Problemen zu kämpfen. Und am Anfang hat es so ausgesehen, als würden sich diese Probleme einfach nur vervielfachen, und keines davon lösen lassen. Doch jetzt, einige Wochen später, konnte ich zumindest ein paar Annäherungen programmieren, die mich nicht vollständig verzweifeln lassen.
Befriedigend sind meine Lösungen allerdings noch nicht. Erstens stöbere ich (wie ein Wahnsinniger) in meinen linguistischen Büchern herum, immer auf der Suche nach Anregungen, wie ich meine Probleme noch lösen könnte. Zweitens habe ich mittlerweile ein Programm geschrieben, das wahrscheinlich dermaßen viele Wiederholungen und ähnliche Programmteile enthält, dass ein erfahrener Programmierer die Hände über den Kopf zusammen schlagen würde. Ich habe, in Bezug auf das Programmieren, noch keine vernünftige Ordnung gefunden, auch wenn das Programm mittlerweile hinreichend gut funktioniert.
Wozu programmiere ich das überhaupt?
Ziel ist so etwas wie eine Inhaltsanalyse, wobei es hier, bei mir, um ganz spezifische Techniken der Datenerfassung geht. Meine Idee ist, dass das Programm die semantischen Rollen von Satzteilen erfasst, und darauf eine Analyse ähnlicher und unterschiedlicher Muster aufbaut. Ich möchte also das, was ich an einzelnen Textabschnitten gezeigt habe, durch ein Programm systematisieren. Die Interpretation wird natürlich weiterhin den Menschen überlassen bleiben; die Auswahl der Muster sollte allerdings, soweit es möglich ist, von einem Computerprogramm geliefert werden.
Die nächste Herausforderung dabei ist allerdings, solche Muster überhaupt festzustellen, d. h. einen Algorithmus zu definieren, der bestimmte Muster herausarbeitet und auf andere Situationen überträgt. Damit bewege ich mich aber deutlich im Bereich der Künstlichen Intelligenz, einem Bereich, der für mich (noch) unerreichbar scheint.
Irgendwann soll dieses Programm folgendermaßen funktionieren: ich gebe eine Menge an Daten ein (Textdateien oder Internet-Adressen), die dann auf Muster hin durchsucht werden; schließlich werden diese Muster in verschiedenen Weisen grafisch dargestellt, sodass der Benutzer direkt auf diese zugreifen kann, und seine Interpretation darauf aufbauen kann.
Alice Munro
Schon lange wollte ich Kurzgeschichten von Alice Munro lesen, die den Nobelpreis für Literatur 2013 zugesprochen bekommen hat. Bisher hatte ich dazu keine Zeit. Jetzt habe ich es geschafft. Und aus den beiden Büchern – Tricks und Liebes Leben – immerhin eine Kurzgeschichte gelesen. Ganz bezaubernd. Wenn es von mir abhängen würde, aufgrund meiner doch sehr reduzierten Leseerfahrung, würde ich Munro tatsächlich den Nobelpreis der Literatur zusprechen. Andere waren schneller und klüger. C'est la vie, c'est la merde.
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