Bei Iser findet sich die Unterscheidung zwischen digitalen und analogen Unterschieden (Das Fiktive und das Imaginäre, S. 472f.). Offensichtlich sieht er einen Unterschied (!) zwischen jenen Unterschieden, die durch eine Markierung deutlich voneinander getrennt sind, während analoge Differenzen aufgefüllt und expliziert werden können.
Nun, wozu erzähle ich das? Ich bin seit gestern abend auf der Suche nach einigen Begriffsklärungen, das fading steht im Mittelpunkt. - Zunächst ist das fading mit der strukturalen Psychoanalyse verknüpft. Bei Lacan bezeichnet es das unaufhörliche Zurückweichen des Subjekts in den Riss, den der Signifikant durch und nach seiner Aktualisierung hinterlässt. Der aktuelle Signifikant ist exzentrisch, der vergangene verlischt und erzeugt in diesem Verlöschen eine Ahnung vom Subjekt.
Auf das fading bin ich über die Figuration gestoßen. Bei Iser ist der Wechsel zwischen digitalem und analogem Unterschied der zwischen einer scharfen, aber leeren Markierung und einer Figuration. Ihm zufolge ist dieses beständige Kippen erst die Bedingung, das Imagination wie Symbolisierung möglich ist; soll wohl heißen: indem sich "Bild" und "Sprache" gegeneinander ausdifferenzieren, kommt das Spiel von Phantasie und Realität erst in Gang.
In diesem Sinne ist auch das Zerstückeln von Romanen keineswegs unnütz, sondern eine Möglichkeit, seine schriftstellerische Phantasie zu erhöhen. Ich sage das hier, weil ich in letzter Zeit wieder gelegentlich Motivanalysen mache, solche, die dem Alltag (meinen Alltag) betreffen, und solche, die sich auf Literatur beziehen. Mit Literatur ist alles Geschriebene gemeint. Motivanalysen (die keine echten Analysen sind, sondern eher Bemerkungen, weil ihnen das Systematische fehlt) sind entstanden zu: Politische Emotionen, einigen Zeitungsartikeln, zu einer Kurzgeschichte von Alice Munro.
Warum aber Motivanalysen? Nun, ich bin eigentlich immer noch an der Programmierung einer Applikation, die mir Texte semantisch untersucht, d.h. in diesem Fall eine Aktantenanalyse macht. Dabei bin ich auf das Problem gestoßen, dass sich zahlreiche Aktanten nicht aus dem Satzkontext bestimmen lassen. Man muss über den Satz hinaus in den Text hinein schauen. Freilich macht man das wohl als Leser automatisch; und hierbei könnte man es belassen, wenn es nicht im große Datenmengen und um regelhafte Musterbildung ginge. Denn während ich derzeit für einen kurzen Absatz mit der Aktantenanalyse immerhin 3-5 Minuten brauche, bestimmt der Computer diese mir (wenn auch noch mit Fehlern) in einem ganzen Kapitel innerhalb eines Sekundenbruchteils.
Nun scheint mir gerade die Motivanalyse, wenn sie etwas systematisiert wird, als eine gute Möglichkeit, eine Aktantenanalyse quer zu den einzelnen Sätzen und damit über diese hinaus zu programmieren. Da die in den Satzteilen aber noch fehlerhaft und unvollständig ist, werde ich wohl weiter nach guten Algorithmen suchen müssen. Und gelegentlich vom Kurs abweichen und etwas ganz anderes machen, wie eben seit gestern abend.
15.10.2016
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