Neben allem anderen lese ich zur Zeit BookLess von Marah Woolf. Nein, ich lese es nicht nur, sondern ich arbeite damit. Seltsamerweise trifft es sich nämlich ganz ausgezeichnet mit anderen Büchern, die ich lese. Wer eine etwas normalere Rezension dazu von mir haben möchte, folge jetzt bitte diesem Link: Marah Woolf. Bookless.
Woran arbeite ich im Moment? An der Beziehung zwischen Parodie und Politik; Hintergrund ist der vorletzte und letzte Abschnitt in Judith Butlers Buch Das Unbehagen der Geschlechter. Der letzte Abschnitt heißt auch direkt ›Von der Parodie zur Politik‹. Von hier aus habe ich mich gefragt, ob es andere Formen der parodierenden Identität gibt als die des genders (ich bin nämlich gerne ein kleiner Macho). Unter anderem hat mich dies wieder zu Max Frisch zurückgeführt, zunächst zu einer Stelle im Homo Faber, dann aber auch zu einigen Abschnitten in seinem ersten Tagebuch. In meiner Ausgabe finden sich auf den Seiten 19-22 (überschrieben mit Café de la Terrasse), 27-29 (Du sollst dir kein Bildnis machen), 33 und 35-36 (Zur Schriftstellerei) einige recht rätselhafte (wenngleich auch wunderschöne) Texte zum Verhältnis von Bild, Erzählung, Zeit und Liebe. Ich zitiere:
Woran arbeite ich im Moment? An der Beziehung zwischen Parodie und Politik; Hintergrund ist der vorletzte und letzte Abschnitt in Judith Butlers Buch Das Unbehagen der Geschlechter. Der letzte Abschnitt heißt auch direkt ›Von der Parodie zur Politik‹. Von hier aus habe ich mich gefragt, ob es andere Formen der parodierenden Identität gibt als die des genders (ich bin nämlich gerne ein kleiner Macho). Unter anderem hat mich dies wieder zu Max Frisch zurückgeführt, zunächst zu einer Stelle im Homo Faber, dann aber auch zu einigen Abschnitten in seinem ersten Tagebuch. In meiner Ausgabe finden sich auf den Seiten 19-22 (überschrieben mit Café de la Terrasse), 27-29 (Du sollst dir kein Bildnis machen), 33 und 35-36 (Zur Schriftstellerei) einige recht rätselhafte (wenngleich auch wunderschöne) Texte zum Verhältnis von Bild, Erzählung, Zeit und Liebe. Ich zitiere:
Eben darin besteht ja die Liebe, das Wunderbare an der Liebe, dass sie uns in der Schwebe des Lebendigen hält, in der Bereitschaft, einem Menschen zu folgen in allen seinen möglichen Entfaltungen. (27)
Was nun hat das mit Marah Woolf zu tun? Eine ganze Menge. Zunächst schreibt Max Frisch von der nicht konsumierbaren Dialektik zwischen Bild und Erzählung und nichts anderes macht ja ein Schriftsteller, indem er ein statisches Bild in seine Erzählungen überführt, oder (sehr platt und sehr technisch gesagt) einen Anfangszustand in einen Endzustand. Die Zwischenzustände bleiben günstigenfalls in der Schwebe. In einem Unterhaltungsroman heißt das dann wohl Spannung. Und genau das interessiert mich jetzt, nicht von der Unterhaltung her, sondern von meiner Fragestellung her: damit ein Roman spannend wird, muss der Autor (bzw. die Autorin) dieses Schwebende herzustellen wissen. Und, wenn man dies zu dem Zitat von Frisch zurückwendet, der Autor muss seine Figuren lieben.
Dazu fällt mir ein Aufsatz ein, den ich während meiner Studienzeit für ein Seminar gelesen habe (lesen musste). Er stammt von Gerd Mattenklott und heißt Das gefräßige Auge. An eine Passage erinnere ich mich immer noch sehr deutlich (sie war äußerst einprägend). Der Verfasser berichtet, wie er in einer Sauna eine Bekanntschaft macht und diese mit nach Hause nimmt (es handelt sich wahrscheinlich um eine Schwulensauna). Je mehr sich aber dieser bisher unbekannte Mensch bekleidet, zunächst im wörtlichen Sinne, dann aber auch mit Daten und Geschichten und Verhaltensweisen, umso mehr verschwindet der Eros des ersten Eindrucks, des nackten Daseins und macht der Agape, der reinen Liebe, Platz.
Vielleicht ist das eine der Enttäuschungen, die mich bei vielen dieser unterhaltenden Liebesromane vom Weiterlesen abhält: das sind keine Menschen, die ich lieben könnte; fast alle Frauen, die Nora Roberts beschreibt, sind mir zuwider und auch die Männer oftmals so besitzergreifend und eindimensional, dass mir selbst eine Unterhaltung mit diesen während eines Bierchens zu viel wäre. Roberts liefert Schablonen, die nacheinander abgehakt werden. Erzählen kann sie nicht (ich muss hier generalisieren, denn von den angeblich 600 Romanen, die diese Frau geschrieben hat, habe ich nur 60 gelesen). Sie scheint ihre Figuren auch nicht wirklich zu lieben. Wichtig dagegen ist ihr die versteinerte Idylle am Ende, auf die es von Beginn an hinausläuft. Nichts ist in der Schwebe. Die Schablone, die Figur als Schablone, das ist die Figur im Roman, die nicht eingekleidet werden muss, die keine Erzählung nötig hat. Sie ist der Tod jeglicher Erzählung. Sie hat auch keine Liebe nötig, nicht vom Autoren und nicht vom Leser. Und die Liebe des Autors zu seiner Figur ist ja nur ein Modell für die Liebe des Lesers zu der Figur.
Lucy, die Hauptfigur in BookLess, kann man lieben. Marah Woolf liebt sie.
All diese Ideen von mir sind noch sehr zögerlich. Die Verbindungen, die sich für mich hier herstellen, laufen über Walter Benjamin bis zu Goethe; sowohl Max Frisch als auch Christa Wolf scheinen mir fleißige Leser von Benjamin gewesen zu sein; in ihrem Buch Leibhaftig spielt Wolf direkt auf den Faust von Goethe an, und seltsamerweise scheint dies auch ein Intertext von BookLess zu sein. Zu diesem letzten Buch kann ich mich aber noch nicht äußern, da es der Beginn einer Trilogie ist. Bemerkenswert scheint mir auf jeden Fall, dass Marah Woolf zahlreiche solcher Intertexte, solcher intertextuellen Bezüge herstellt und hier eben zur Faust-Sage. Dabei ist sie aber nicht aufdringlich, auch anscheinend nicht gewollt. Es liest sich nebenher mit.
Dazu fällt mir ein Aufsatz ein, den ich während meiner Studienzeit für ein Seminar gelesen habe (lesen musste). Er stammt von Gerd Mattenklott und heißt Das gefräßige Auge. An eine Passage erinnere ich mich immer noch sehr deutlich (sie war äußerst einprägend). Der Verfasser berichtet, wie er in einer Sauna eine Bekanntschaft macht und diese mit nach Hause nimmt (es handelt sich wahrscheinlich um eine Schwulensauna). Je mehr sich aber dieser bisher unbekannte Mensch bekleidet, zunächst im wörtlichen Sinne, dann aber auch mit Daten und Geschichten und Verhaltensweisen, umso mehr verschwindet der Eros des ersten Eindrucks, des nackten Daseins und macht der Agape, der reinen Liebe, Platz.
Vielleicht ist das eine der Enttäuschungen, die mich bei vielen dieser unterhaltenden Liebesromane vom Weiterlesen abhält: das sind keine Menschen, die ich lieben könnte; fast alle Frauen, die Nora Roberts beschreibt, sind mir zuwider und auch die Männer oftmals so besitzergreifend und eindimensional, dass mir selbst eine Unterhaltung mit diesen während eines Bierchens zu viel wäre. Roberts liefert Schablonen, die nacheinander abgehakt werden. Erzählen kann sie nicht (ich muss hier generalisieren, denn von den angeblich 600 Romanen, die diese Frau geschrieben hat, habe ich nur 60 gelesen). Sie scheint ihre Figuren auch nicht wirklich zu lieben. Wichtig dagegen ist ihr die versteinerte Idylle am Ende, auf die es von Beginn an hinausläuft. Nichts ist in der Schwebe. Die Schablone, die Figur als Schablone, das ist die Figur im Roman, die nicht eingekleidet werden muss, die keine Erzählung nötig hat. Sie ist der Tod jeglicher Erzählung. Sie hat auch keine Liebe nötig, nicht vom Autoren und nicht vom Leser. Und die Liebe des Autors zu seiner Figur ist ja nur ein Modell für die Liebe des Lesers zu der Figur.
Lucy, die Hauptfigur in BookLess, kann man lieben. Marah Woolf liebt sie.
All diese Ideen von mir sind noch sehr zögerlich. Die Verbindungen, die sich für mich hier herstellen, laufen über Walter Benjamin bis zu Goethe; sowohl Max Frisch als auch Christa Wolf scheinen mir fleißige Leser von Benjamin gewesen zu sein; in ihrem Buch Leibhaftig spielt Wolf direkt auf den Faust von Goethe an, und seltsamerweise scheint dies auch ein Intertext von BookLess zu sein. Zu diesem letzten Buch kann ich mich aber noch nicht äußern, da es der Beginn einer Trilogie ist. Bemerkenswert scheint mir auf jeden Fall, dass Marah Woolf zahlreiche solcher Intertexte, solcher intertextuellen Bezüge herstellt und hier eben zur Faust-Sage. Dabei ist sie aber nicht aufdringlich, auch anscheinend nicht gewollt. Es liest sich nebenher mit.
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