26.12.2018

Laterales Denken

Kaum ein Begriff kann in der Psychologie der Kreativität eine solche Bedeutsamkeit und Vernachlässigung vorweisen, wie der Begriff des lateralen Denkens.

Das laterale Denken wurde als Begriff von Edward de Bono eingeführt. Der Begriff war neu, dass was dahinter stand, allerdings nicht.

Definition des lateralen Denkens

"Beim lateralen Denken geht es… darum, die Wahrnehmung zu ändern und an der neuen Wahrnehmung festzuhalten." (de Bono 2010, Seite 84)
Laterales denken sei "Musterwechsel innerhalb eines Muster bildenden Systems" (ebenda, Seite 85).

Vorläufer I: Friedrich Nietzsche

Kaum ein Philosoph ist heißer geliebt und kälter verachtet worden als Nietzsche. Dabei sind seine Schriften komplex. Selbst der Krieg, dessen positive Wirkung er so häufig beschwört, ist sowohl als Übertreibung, als auch als Metapher und als Provokation zu lesen. Worum geht es dir? Was willst Du? Hast Du eine Meinung und traust du dich, diese zu vertreten, mit der Gefahr, dass jemand besser als du argumentiert?
Nietzsche fragt nach dem flexiblen Denken. In der Sprache de Bonos: nach dem Musterwechsel.

Vorläufer II: Jean Piaget

Der Schweizer Entwicklungspsychologe Piaget hat sich fast ausschließlich in seinem wissenschaftlichen Werk mit der Entwicklung des Denkens beschäftigt. Der zentrale Begriff, den Piaget geprägt hat, ist der des Schemas. Dieses bezeichnet er auch (in seinem Spätwerk) als Transformationsstruktur. Ein Schema macht aus etwas etwas anderes. In ihm liegt eine "geistig gewordene Bewegung".
Eine der wichtigsten Begriffe für das adoleszente Denken ist die fluiden Klasseninklusion. Damit ist gemeint, dass ein Erwachsener ein Phänomen oder eine Idee aus verschiedenen Perspektiven betrachten kann und diese verschiedenen Perspektiven untereinander verknüpfen kann. Dies ist nichts anderes als laterales Denken. De Bono hat die fluiden Klasseninklusion in eine Technik umgewandelt, die der sechs Denkhüte.

Spielerisches und kreatives Denken

Ein solches Denken gilt als spielerisch. Es hat aber mit den ebenfalls spielerischen Denken eines Kleinkindes wenig zu tun.
Kleinkinder sind nur in geringem Maße in der Lage, zwei Größen miteinander zu kombinieren. Sie können zum Beispiel nicht den Wasserstand und die Breite eines Glases in ein Verhältnis bringen. Schüttet man Wasser aus einem hohen Glasrohr in einem breiten Glasbehälter und fragt ein kleines Kind, ob in dem breiten Glasbehälter gleich viel, weniger oder mehr Wasser sei, so wird das Kind verschiedene Antworten geben. Es sagt zum Beispiel, dass in dem breiten Glasbehälter mehr Wasser sei als in dem hohen Glasrohr, weil der Glasbehälter breiter ist. Aus dem selben Grund könnte es aber auch sagen, dass es nun weniger Wasser sei, weil der Glasbehälter niedriger ist. Das Kind ist noch auf eigene Größe fixiert (Piaget nennt dies Zentralismus).
Ein wesentlicher Unterschied ist also, dass ein erwachsener Denker die Verhältnisse zwischen den Größen durchdenken und Perspektiven bewusst auswählen kann, während ein kleines Kind frei assoziiert und seiner Wahl nicht durchdenken kann.

Vielfältiges und hartnäckiges Denken

Laterales Denken bedeutet, wie es bei de Bono es oben schon anklingt, auf der einen Seite die Möglichkeit und die Notwendigkeit des Musterwechsel, auf der anderen Seite, nicht zu rasch von Muster zu Muster zu hüpfen. Das Denken muss hartnäckig bleiben und hartnäckig an einer Sache arbeiten. Der französische Lyriker Charles Baudelaire schrieb: je härter das Material, desto feinsinniger die Gedanken.

Psychologische Modelle

Spielen Sie dies einmal mit psychologischen Modellen durch. Ein psychologisches Modell ist eine Art Raster, das man über einen Menschen wirft, um ihn abschätzen zu können. Es gibt zahlreiche dieser Raster und deshalb auch zahlreiche Möglichkeiten, einen Menschen zu beurteilen.
Ein Muster bietet uns eine einzelne Perspektive. Für den betreffenden Menschen wird sie zu grob sein und er wird sich über unser Urteil beschweren. Mehrere Muster haben viel mehr Aussicht auf Erfolg. Springt man aber willkürlich zwischen den einzelnen Mustern hin und her und bedenkt nicht deren Zusammenhang, wird uns der Mensch als unzuverlässig oder sogar wirr empfinden.
Erst wenn wir uns bewusst von Muster zu Muster bewegen können und unsere Bewegungen verdeutlichen können, erscheinen wir als differenziert. Mit Wahrheit hat weder das undifferenzierte Muster noch das bewusste Anwenden vieler Muster zu tun. Das letztere ist nur differenzierter und viele Menschen sind höflich genug, sich mit einer gewissen differenzierten Beurteilung ihrer selbst zufrieden zu geben.

Fazit

Laterales Denken bedeutet das bewusste und hartnäckige Anwenden vielfältiger Muster auf ein Thema, einen Sachverhalt, ein Problem oder einen Menschen.

Literatur
  • De Bono, Edward: De Bonos neue Denkschule. mvg-Verlag 2010. Taschenbuch, 240 Seiten. 9,95€

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