02.01.2018

Intelligenz ist die beste Zensur

Erfreulich ist doch immer wieder, wie lächerlich die neuen Rechten daherkommen; vermutlich so lächerlich, wie die alten Rechten, würde man deren Folgen nicht kennen. Unbestritten und unvergessen bleibt Hannah Arendts Wort von Eichmanns „empörender Dummheit“. Man kann es sehen, wie man will. Ich glaube nicht daran, dass Storch ihren letzten tweet unwissend abgesetzt hat. Der ganze Sermon, der diesem tweet und der Sperrung des Twitter-Accounts gefolgt ist, gleicht einer wohlüberlegten Inszenierung, einer Art Ballettübung auf dem Meinungsmarkt.

Ein arabischer tweet

Die Storch hat sich darüber empört, dass die Kölner Polizei Neujahrsgrüße auf Arabisch getwittert hat. Nein, empört ist hier das falsche Wort. Sie hat sich darüber lustig gemacht, wie man sich über einen Trottel lustig macht. Aber was zur Hölle ist in dieser Frau los? Denn es war nur ein tweet, einer von vielen übrigens, die auch auf Italienisch, Dänisch, Koreanisch in die Welt gesetzt wurden. Eine Höflichkeit, nichts weiter. So wie ich gelegentlich meinen arabischen Schülern das eine oder andere Wort auf Arabisch daneben schreibe. Ich kann kein Arabisch, aber ich besitze ein arabisches Wörterbuch. Die Schüler freuen sich darüber und lernen ein wenig eifriger die Malfolgen oder die Benennung der Satzteile (in deutschen Sätzen).

Polizeipräsenz

Wie die Besänftigung dann tatsächlich ausgesehen hat, kann man übrigens auch in den „linken“ Zeitungen nachlesen: eine massive Polizeipräsenz in der Silvesternacht.
Das Absurde an der ganzen Situation ist aber, dass die AfD auf der einen Seite so etwas wie einen Polizeistaat fordert, auf der anderen Seite aber die Polizei beständig denunziert und sie in einen schlechten Ruf zu bringen versucht.

Störchliche Logik

Und ebenso absurd ist, dass die Storch ganz bewusst (so scheints) die Meinungsfreiheit (für sich) auf übelste Beleidigungen ausdehnt. Und nein: ich schätze nicht alles, was aus den etablierten Parteien so getönt wird, allen voran, und als Beispiel, die Nahles. Nein, das schätze ich gar nicht. Aber diese Bigotterie, dieses offene Sich-Erlauben, was man anderen schon in Ansätzen verbieten möchte, lässt auf ein völliges Versagen höherer kognitiver Fähigkeiten schließen oder auf eine bewusste Misshandlung jeglichen logischen Zusammenhangs.

La Luna, le lune - Geschlechtsversicherung mit David Berger

Dann kommt auch noch der Berger. David Berger lässt mittlerweile kein Taschentuch mehr aus, in das er hineinflennen könnte, und sei dieses noch so braun. Er erblickt die Storch als Opfer, in seiner philosophia perennis. Sie habe „schlicht auf die von der Kölner Polizei auf Arabisch getwitterten Neujahrsgrüße … geantwortet“. Von der höflichen Geste zu der Unterstellung, es gäbe einen weitreichenden Bedarf, „gruppenvergewaltigende Männerhorden“ zu besänftigen (auf Arabisch natürlich), das ist für die Menschheit ein großer Schritt; für den Mann im Mond nur ein kleiner.
Und nein: ich leugne nicht, dass da nichts gewesen sei. Ob dies allerdings ein arabischer Charakterzug ist, das wage ich zu bezweifeln. Gruppenvergewaltigungen hat es auch in anderen Kulturen immer wieder gegeben. Und im groben kann man als gemeinsamen Zug einen fragilen gesellschaftlichen Status (wie er Flüchtlingen, aber auch Arbeitslosen oder kulturell verunsicherten Menschen eigen ist) und einen Zusammenhalt durch substantielle und nicht-substantielle Drogen finden.
Beides ist weniger von einer nationalen als von einer bestimmten gender-Ideologie (nämlich, wie man so sagt, einer patriarchalen) geprägt. Auch der spielt die AfD in die Hände. Die Rückkehr zu offen patriarchalem Gedankengut ist in dieser Partei so greifbar, wie schon lange nicht mehr. Auch das wundert mich nicht. Die Rückkehr war schon um die Jahrtausendwende massiv zu spüren. Einmal sprach Jutta Ditfurth von einem Rollback des Feminismus. Nachdenklich geworden darüber scheint niemand zu sein. Zu sehr hat sich eine Gruppe etablierter Feministinnen in ihrem Erfolg eingeigelt (und Insider wissen, dass ich hier keineswegs von allen Frauen spreche, sondern einige ganz bestimmte im Blick habe).

Richtig zensieren

Nun, das Fazit von Berger spricht Bände: der erste Zensurfall unter dem NetzDG diene zur Zensur und Einschüchterung. Keinesfalls ginge es um die Richtigstellung. Keinesfalls darum, wie der geradezu banale rhetorische Kniff, die arabische Sprache mit den gruppenvergewaltigenden Männerhorden zusammenzubringen, auf so schlichte Gemüter wie den Herrn Berger wirken könnte. Hier blickt jemand mit von Weinerlichkeit verquollenen Augen doch nur ins eigene Boudoir; und geschärft ist der Blick der philosophia perennis keineswegs, sondern nur die Anmaßung.
Die Höflichkeit hat die Storch nicht zum Schweigen gebracht. Wie auch? Weiß sie doch nichts von ihr. Die Intelligenz, wahrlich die schärfste aller Zensuren, konnte es auch nicht. Und so stolpert die neue Rechte durch ständige Wiederholungen und durch immer weniger Reflexion in jenen Kulturverfall hinein, den sie angeblich abwenden will.
Bleibt zum Schluss zu sagen, dass dieser Kulturverfall so alt ist wie die Kultur selbst. Man findet diese Kultur nicht auf den Bühnen des politischen Theaters, schon gar nicht auf denen, auf denen solch ein rauer Ton und solch eine abwertende und missachtende Meinung vorherrschend ist. So wenig ist die französische Kultur auf der Guillotine verteidigt worden. Und wer nach der deutschen Kultur sucht, der tut gut daran, abseitige Wege und schmale und verschlungene Pfade aufzusuchen. Der darf sich auch nicht zu fein sein, mit langem Atem und noch längerem Magen jenen verborgenen Früchte nachzustellen, die den Kanzelrednern so unbekannt, so fremdartig, so ausländisch vorkommen.

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