Ich hatte jetzt mehrmals den Begriff der narrativen Argumentation erwähnt und dazu drei E-Mails bekommen, die hier eine Erläuterung einforderten. Eigentlich wollte ich diese schon längst schreiben. Da mein Sohn allerdings diese Woche Ferien hat und häufiger bei mir ist, fehlt mir die Zeit.
Trotzdem: Hier einige Anmerkungen dazu.
Literatur als Kommunikation
In der Literaturwissenschaft geht man davon aus, dass Literatur auf der einen Seite darstellt (d.h. eigentlich konstruiert). Sie erzählt Handlungen und beschreibt Gegenstände und Orte (und natürlich passiert auf dieser Ebene der Darstellung noch ein wenig mehr). Für diese Ebene oder Schicht eines Textes gibt es den Begriff der narrativen Ebene.
Doch natürlich prägt ein Text auch auf irgendeine Art und Weise die Kommunikation vom Autor zum Leser (man kann an dieser Stelle schlecht sagen: die Kommunikation zwischen Autor und Leser, da es meist keine Möglichkeit der Rückmeldung gibt). Dies ist die so genannte diskursive Ebene. In der englischen Literaturwissenschaft nennt sich das Ganze story und discourse.
Es gibt noch eine dritte Ebene, die man die sprachliche Ebene bezeichnen könnte (die Trennung der Ebenen ist analytisch, muss in der Einzelfalluntersuchung allerdings immer wieder verbunden werden). Diese sprachliche Ebene umfasst zum Beispiel bevorzugte semantische Felder (so ist ein bevorzugtes semantisches Feld im Liebesroman der weibliche Körper, natürlich auch der männliche), die man in der Literaturwissenschaft Isotopien (Ebenen der Bedeutungsgleichheit) nennt. Es gibt aber auch typische Wörter oder rhetorische Figuren. Das zeigt allerdings nur, wie wenig sinnvoll es ist, in der praktischen literaturwissenschaftlichen Arbeit diese scharfe Grenze nachzuvollziehen, gehört die Rhetorik doch auch eindeutig in den Bereich der Kommunikation, also in die diskursive Ebene.
Romane als Kommunikation
Auch Romane kommunizieren mit dem Leser. Und wie im alltäglichen Leben muss der Autor hier Rücksicht auf den Leser nehmen. Er muss "verständlich" schreiben, was auch immer das im Einzelfall heißen soll. Verständlich zu schreiben kann man aber im weitesten Sinne als eine Sache der Logik, bzw. der Argumentation ansehen. Das, was ich als Autor darstellen möchte und dem Leser näher bringen möchte, muss ich für diesen "entfalten".
Und genau dieses Entfalten nenne ich narrative Argumentation. Sie hat eine gewisse Nähe zur wissenschaftlichen Argumentation, kann mit dieser allerdings nicht gleichgesetzt werden. Anzumerken ist auch, dass der klassische Begriff der Argumentation meine persönliche Anwendung des Begriffs nicht deckt.
Für die narrative Argumentation gebrauche ich auch die Wörter Leserorientierung und Leserführung. Die Leserorientierung besteht darin, wie ein Leser im Roman in Zeit und Raum orientiert wird. Dazu gehören zum Beispiel Beschreibungen von der Umgebung, aber auch Zeitangaben. Diese können übrigens recht vage gehalten sein: "Es war früher Morgen und noch fast dunkel, als Peter das Gehöft verließ." Damit erkennt aber der Leser, wo sich sein Protagonist ungefähr befindet. Dazu muss man sich vorstellen, dass der Protagonist immer eine Art Kern ist, der sich auf die narrativ dargestellte Umgebung bezieht, wie sich diese Umgebung immer auch auf den Protagonisten bezieht.
Die Leserführung dagegen ist weit schwieriger zu fassen. Sie bezieht sich vor allem auf Handlungen und in der Form des Aufbaus von Bedrohungen und Rätseln ist sie weitgehend deckungsgleich mit dem Spannungsaufbau. Im Spannungsaufbau passiert aber nun etwas ganz anderes: sie ist eine bewusste Desorientierung des Lesers. Er soll ja gerade nicht wissen, wie die Geschichte endet. Und hier gibt es wiederum andere Techniken, dies dem Leser mitzuteilen, ihn zu desorientieren, allerdings nicht zu sehr, und dies dann auch noch mit der Leserorientierung zu verknüpfen.
Narrative Argumentation
Die narrative Argumentation bezieht sich vor allen Dingen auf die Funktion von einzelnen Abschnitten (meist Szenen) in Bezug auf eine Problemstellung, bzw. einen Konflikt, und natürlich auch auf die Komposition der Handlung. Es geht also um Funktionen und funktionale Zusammenhänge, um ein "Füreinander-da-sein" erzählerischer Elemente im Dienste der Kommunikation mit dem Leser.
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