29.07.2017

München ist bunt, oder: Inhalt statt Hintergrund, oder: Neuerdings bin ich Spießer; außerdem: Jan Fleischhauer

Man dürfte, man sollte eigentlich, ja, eigentlich ... wenn da nicht ein Jan Fleischhauer wäre, und eine ganze Bande grölender Nazis. Die Sache ist schnell erklärt. Letztes Jahr trafen sich Pegida-Anhänger in einem italienischen Restaurant. Darauf zeigten sich Politiker eifrig, dem Wirt zu erklären, dass er keine Pegida-Anhänger bewirten müsse. Wieder andere Menschen besprühten das Lokal - ich weiß nicht wie oft - mit dem ach so klugen Spruch "Nazis verpisst euch!" Angeblich seien deshalb die Umsätze eingebrochen. So oder so, dem Wirt wurde jetzt gekündigt; der Vermieter, eine Brauerei, sprach von hohen Außenständen als Grund.

Das braune Netz weiß es mal wieder besser

Natürlich gibt es diese ganz unangenehmen Menschen, die die Nazi-Keule herausholen. Da erinnere ich mich doch nur zu gerne, wie ich bei einer Buchdiskussion von einem Teilnehmer mit den Worten unterbrochen wurde, ich müsse doch an Auschwitz denken. Bis heute habe ich nicht verstanden, warum dieses Argument an dieser Stelle damals zählte. Es stand völlig aus dem Zusammenhang gerissen da. Zumindest für mich.
Bei der Sachlage in München kann ich nur konstatieren, dass die Berichte kein eindeutiges Bild hergeben. Was seine Bewirtung der Pegida-"Spaziergänger" angeht, nun, so ist der Wirt nicht für die Dummheiten anderer Leute verantwortlich. Dass die Pegida vom Verfassungsschutz überwacht wird, heißt noch nicht, dass Hinz und Kunz sich verfassungswidrig verhalten, wenn sie mit diesen Umgang haben. Das ist die eine Seite. Ob dagegen, andererseits, die Negativwerbung für das Ende des Restaurants verantwortlich ist, lässt sich auch nicht so sagen. Nicht, wie es die Berichte hergeben. Es sei denn, man glaubt den rechten Hetzern von Compact. Es mag also sein, dass der Bezirksamtsmann eine Unbedachtheit begangen hat; einen systematischen Willen kann ich nicht entdecken. Die hetzerische Eindeutigkeit ist wohl die pikante Zutat, die dem Unmut des Wirts den Geschmack der Lächerlichkeit hinzufügt.

Ein Bild sagt mehr (oder weniger) als tausend Worte

Garniert wird in rechten Medien, und so auch bei Jan Fleischhauer, der Artikel mit einem Bild, das wohl nur für Eingeweihte mit der Schließung des Lokals zu tun hat. Es existiert in verschiedenen Varianten, jeweils aber ist der Schriftzug zu lesen: München ist bunt. Bei Fleischhauer findet sich noch darunter die Bildunterschrift: Protest gegen Fremdenfeindlichkeit.
Erklärt wird diese mystische Kombination damit, dass der Wirt wirtschaftlich überlebt hätte, wenn er die Nazis oder Möchtegern-Nazis oder Pegida-"Spaziergänger" weiterhin verköstigt hätte. Weil ihm aber insbesondere von einem Beauftragten des Bezirksamtes Druck gemacht worden wäre, so der Wirt, sei sein Ruf geschädigt worden. Weil also Münchner gegen Fremdenfeindlichkeit protestierten, sei, ja, aber was? Der Bezirksbeauftragte ermutigt worden, oder wie? Man weiß es nicht so ganz genau. Hier klafft eine Lücke.

Fleischhauer auf allerlei Wegen

Nun beschwert Fleischhauer sich nicht darüber, dass den Menschen von Pegida das Missfallen ausgesprochen wird. Er schreibt, dass "der Kampf gegen rechts so weit verselbstständigt" habe, dass "jedes Augenmaß verloren gegangen" sei. Damit hat er dann tatsächlich recht. Es ist ja auch bei den Terroranschlägen mit "islamischem" Hintergrund keineswegs so, dass man kulturelle Faktoren außer Acht lassen sollte. Islamophob wird man erst, wenn man eine solche Kausalität mit schönster Monotonie und ohne echtem Wissen immer wieder wiederholt.
Nun, also doch Fleischhauer? Nein, eigentlich nicht. Denn noch immer erklärt das nicht den Zusammenhang mit dem Bild, welches eine Demonstrantin mit einem Plakat zeigt. Es gibt diesen alten Spruch in Hamburg: immer, wenn man sich eine Zigarette an einer Kerze anzündet, stirbt ein Seemann. Das ist ein knuffiger Spruch. Man hält sich an ihn und lächelt dann über sich. Niemand glaubt, dass er eine echte, überprüfbare Kausalität ausdrücke. Aber scheinbar glaubt auch Fleischhauer, dass immer, wenn einer gegen Rechtsradikalismus demonstriere, ein italienischer Gewerbetreibender schließen müsse. - München hat also die Wahl: entweder es ist bunt und ohne, oder es ist braun und mit Pizza.

Hintergrund adé

Dies gab ich auch in einem facebook-Thread zu bedenken. Also zumindest, dass der Wirt scheinbar aus wirtschaftlichen Gründen gekündigt worden sei. Dazu schrieb mir dann eine die Dame, es gehe um den Inhalt, nicht um den Hintergrund. Das fand ich nun geradezu phänomenal komisch. Ich musste aber auf den Ernst hinweisen, dass so eine Lüge nicht erkannt werde, und schließlich ist das, was Compact zu dem Vorfall schreibt ("Münchens Bunt-Mafia erzwingt Schließung von Pizzeria") nun eindeutig an den Haaren herbeigezogenes psychotisches Geschwafel - obwohl: Psychotiker sind meist echt noch vernünftiger.
Am besten war aber, dass besagte Dame mich dann einen Spießer nannte. Offensichtlich war sie übermütig, denn das aus einem solchen Munde zu hören, ist, nun ja ... denkt's euch mal selbst.

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