Was machst du? ist wohl eine geläufige Frage, deren Absicht aber äußerst vage ist. Viele Menschen stellen sie, um eine Art Schnappschuss, ein twitter-statement, zu bekommen. Das ist nicht so mein Fall. Was machst du? spiegelt bei mir immer auch Umgebungen wieder, Kontexte, in denen ich mich aufhalte. Aus verschiedenen Gründen eliminiere ich allzu Persönliches, aber für all diejenigen, die mir auf einer etwas allgemeineren Ebene folgen wollen, sei hier eine etwas längere Antwort gegeben. Zum Teil zeigt sie Kontinuität an, zum Teil neue Entwicklungen.
Algorithmen und Text(muster)semantik
Aus verschiedenen Gründen bin ich gerade bei Sartre gelandet. Zum einen liegt das daran, dass ich mich mit der Konstruktion von Textmustern beschäftige. Das wiederum ist ja ein altes Thema von mir. Im Moment ist es aber auch ein frisches, und eines, was bei mir sehr in Bewegung geraten ist, weil ich den Zusammenhang zwischen Satzsemantik und Textmustersemantik genauer diskutiere: ich bin auf der Suche nach Algorithmen, die ich in mein Programm einbauen kann; diese Algorithmen lösen - bestenfalls - das Problem, dass die Bedeutung eines einzelnen Satzes immer auch vom Kontext abhängig ist.
Mein Programm? Nun, ich schreibe an einem Zettelkasten, ähnlich jenem von Daniel Lüdecke. Nachdem ich mich Mitte letzten Jahres grundsätzlicher um die Abbildung von Daten in Datenbanken gekümmert habe, bzw. überhaupt um das Zusammenspiel von verschiedenen Datensätzen, konnte ich einige ganz gute Erfolge verzeichnen. Anfang Dezember bin ich dann aber massiv mit dem Problem konfrontiert worden, dass mein Programm zu umfangreich geworden ist, um ohne Planung und ohne grundlegende Struktur weiter geschrieben werden zu können. Das habe ich dann in den letzten zwei Monaten gemacht (sofern ich Zeit hatte), Stichwort dazu: design patterns (Entwurfsmuster), die ich vor allem an Heide Balzerts Lehrbuch der Objektmodellierung und an Matthias Geirhos Entwurfsmuster diskutiere. Zwar werde ich jetzt mit dem Programmieren noch einmal von vorne anfangen müssen, zumindest fast von vorne, insbesondere um eine bessere Trennung der Objekte zu erreichen, aber ich denke, der Aufwand hat sich gelohnt.
Sartre: Was ist Literatur?
Nun, davon wollte ich eigentlich nicht erzählen.
Sartre, insbesondere seine Schriften zur Literatur, haben schon etwas sehr Beeindruckendes an sich. Mir fehlt aber, bei einem neuerlichen Lesen vom Saint Genet (und auch seinem Baudelaire und dem Mallarmé) eine größere Klarheit in seinen Schriften. In allen diesen Texten fallen mir die Wiederholungen unangenehm ins Auge, und gerade im Moment, da ich mich intensiver mit Was ist Literatur? auseinandersetze, die unscharfe Begrifflichkeit.
Um hier Klarheit einzuführen, nutze ich die Technik eines gelassen gehandhabten Glossars. Gelassen gehandhabt heißt dabei, dass ich 1.) Begriffe aus einem gelesenen Text herausschreibe, 2.) diese dann anhand einiger Textstellen definiere, bzw. umschreibe und 3.) diese nach und nach revidiere.
Der erste Schritt ist recht intuitiv; häufig ergänze ich meine Liste später um weitere Begriffe.
Der zweite Schritt fasst nicht nur die explizite Definition zusammen, sondern auch den Gebrauch eines Wortes, wenn er mir wichtig erscheint. Zudem knüpfe ich in diesem Schritt Verbindungen zu anderen Begriffen. Schließlich formuliere ich hier erste Kritiken und schreibe weiterführende Fragen auf.
Schließlich lässt sich der dritte Schritt kaum noch zu gewissen Techniken zuordnen. Auch hier arbeite ich, wenn auch auf einer ganz anderen Ebene, wieder sehr intuitiv, wenn auch immer mit dem Text vor mir, zu dem ich arbeite. Rekonstruktion und Weiterentwicklung gehen Hand in Hand.
Wenn es mir wichtig erscheint, dann schreibe ich zum Schluss erneut eine Liste mit allen Begriffen, aber so gekürzt, dass scharfe und prägnante Definitionen entstehen. Dies ist eine sehr reduzierende Arbeit, die dem Text selbst meist nicht gerecht wird, aber ein guter Ausgangspunkt für das eigene Denken.
Reise in die ferne (Bücher-)Vergangenheit
Das wilde Denken
Auch das war es nicht, was ich eigentlich erzählen wollte.
Ich habe mich, so schrieb ich, auf eine Reise in ferne Vergangenheiten begeben, in Folge meines kleinen, ausufernden Programmes. Roland Barthes liegt neben mir, zunächst einmal die wunderbare Einführung von Ottmar Ette: Roland Barthes. Eine intellektuelle Biographie, die 1998 im suhrkamp-Verlag erschienen und mittlerweile leider vergriffen ist; seine Einführung aus dem Junius-Verlag ist ebenfalls gut, setzt aber ganz andere Akzente.
Nun, dieses Buch habe ich seit 15 Jahren nicht mehr (durch)gelesen. Im Moment bin ich dabei, langsam, kontemplativ. Ich verfasse zu jedem Abschnitt 1.) Absatzüberschriften, eine kleine, recht fruchtbare Technik, um sich über Kerngedanken und Argumentationsabfolgen Gedanken zu machen, und 2.) Listen mit wichtigen Begriffen, zum Teil schon mit kurzen, prägnanten Definitionen, die eher scharf als richtig sein sollen, aber für den weiteren Verlauf der Lektüre sehr wichtig sind. Zumal ich auf diese Definitionen immer dann zurückgreifen kann, wenn ich über einen solchen Begriff erneut stolpere.
Dann habe ich die ersten beiden Kapitel aus Lévi-Strauss' Das wilde Denken gründlich durchgearbeitet, aber noch nicht durchkommentiert. Diese beiden Kapitel haben mich schon immer fasziniert, und ihnen habe ich mich in den letzten zwanzig Jahren auch immer wieder gewidmet; meine Kommentare dazu sind vielfältig. Zu Beginn, also etwa 1995, hat mich vor allem der Begriff der Bastelei fasziniert; später wurde das Modell für mich ein Kernbegriff; und neulich, als ich die beiden Kapitel erneut las, habe ich mich am längsten bei den Abschnitten zu Kunst, Ritus und Spiel aufgehalten.
Umarbeiten, umdenken
Bisher habe ich aber immer sehr essayistisch mit diesem Buch gearbeitet. 1995 stand mal eine genauere Diskussion in irgendeinem meiner Arbeitsbücher (resp. meinem "Tagebuch"), aber die ist mir heute kaum noch etwas wert. Ich habe mich zu sehr verändert. Ich habe diese also wiederholt, mit fast denselben Techniken, aber eben von meinem heutigen Standpunkt aus (später, wenn ich mal gestorben bin, und irgendwer meine Texte als interessant entdecken sollte, wird der Vergleich zwischen den beiden Ergebnissen vielfältige Vermutungen zu meinem geistigen Werdegang anstoßen).
Von Lévi-Strauss habe ich dann auch noch Sehen, Hören, Lesen und Das Rohe und das Gekochte gelesen. Ersteres Buch ist neu, auch wenn ich es bereits einmal, vor zwei Jahren, aber nur sehr oberflächlich durchgearbeitet habe.
Zwischendrin lagen dann noch deCerteaus Kunst des Handelns, und Wilhelm Schmids Auf der Suche nach einer neuen Lebenskunst, beides Werke, die ich im vorigen Jahrhundert sehr geschätzt habe, und die ich wieder sehr schätze. Beides sind Werke, die ich gründlicher lesen sollte, insbesondere auch die Kapitel über das Schreiben und all die Anmerkungen zum Kategorisieren (die für das Erstellen von Algorithmen von großer Bedeutung sind).
Ich befinde mich also - gewissermaßen - auf dem Weg in meine eigene, ferne Vergangenheit, hin zu Büchern, die ich vor Jahren mit Begeisterung gelesen habe, deren Aura aber nach und nach verblasst und dünn geworden ist, und die ich jetzt wohl wiederbeleben muss.
(Von Habermas habe ich jetzt einiges gelesen. Dazu aber später wohl mehr.)
Kaputter Computer
Im Moment wird mir meine Arbeit dadurch erschwert, dass mein Computer kaputt gegangen ist. Wieder einmal rettet mich mein Computer, den ich vor zehn, zwölf Jahren in die Ecke gestellt habe, obwohl er noch funktioniert. Aber er ist langsam, manchmal nervtötend langsam. Wartezeiten von fünf Minuten, in denen er herumrechnet und sich keine Eingabe machen lässt, sind häufig. Zudem komme ich nicht an meine externen Festplatten heran, bin also ohne meine ganzen Daten und selbst ohne meinen Zettelkasten.
Mein neuer Computer wurde am Donnerstag geliefert, war aber kaputt: das Betriebssystem wollte sich nicht laden. Am Samstag, also gestern, wurde er wieder abgeholt. Nun warte ich auf den nächsten. Es ist das erste Mal, dass ich solch einen "Ärger" hatte, aber wie immer ist www.one.de da sehr unkompliziert. Nach zehn guten Computern ist das recht verschmerzbar, auch wenn mir die Wartezeit weh tut.
Keine Kommentare :
Kommentar veröffentlichen