09.06.2015

Was der Zettelkasten noch erzählt

Angeblich hat Niklas Luhmann seine Bücher gar nicht selbst geschrieben, sondern sein Zettelkasten. Er habe diesen nur hinreichend gefüttert, so dass dieser so komplex geworden ist, dass er scheinbar einen eigenen Geist entwickelt habe.
So weit bin ich mit meinem Zettelkasten noch nicht. Trotzdem kann er einiges über mich erzählen.

Literatur

Das Buch, welches ich am häufigsten zitiert und kommentiert habe, ist Soziale Systeme von Niklas Luhmann. Das ist insofern verwunderlich, als ich seit über fünf Jahren nicht mehr hineingeschaut habe. Freilich bleibt Luhmann für mich ein wichtiger Horizont.
Ein zweites Buch, welches ich mit zahllosen Kommentaren bedacht habe, ist die Einführung in Wittgenstein von Joachim Schulte. Diese habe ich bis in den letzten Herbst hinein gelesen, wobei ich ungefähr Anfang des Jahres begonnen habe. Dass dieses doch sehr schmale Werk für mich so wichtig geworden ist, lag wohl an meinen Lebensumständen: über längere Zeit kriselte es schon in meiner Gedankenwelt. Schuld daran hatte wohl vor allem Immanuel Kant und meine recht umfangreiche Kommentierung der Kritik der Urteilskraft. Insbesondere hat mich dort die Trennung von Begriffen und Ideen, bzw. Verstandesbegriffen und Vernunftbegriffen, recht ratlos zurückgelassen. Seitdem habe ich, vor allem auch bei Hannah Arendt, dieser Trennung zu folgen versucht.
Erst das dritte Buch bezieht sich dann vor allem auf meinen Beruf: es ist das Lehrwerk Psychologie von Gerrig und Zimbardo. Danach folgt eine Einführung in das Werk von Hannah Arendt, geschrieben von Thomas Wild. Dieses Buch habe ich eigentlich nicht ausführlich kommentiert; aber zahlreiche Passagen, die ich bei Hannah Arendt selbst dann durchgearbeitet habe, sind hier versammelt. Hätte ich diese getrennt, wäre Zahl der Kommentare wesentlich geringer gewesen.
Erst auf der neunten Stelle kommt ein fiktives Werk: Homo Faber von Max Frisch. Knapp dahinter folgt dann Harry Potter und der Stein der Weisen. Und noch etwas weiter unten Es von Stephen King.

Verfälschend allerdings ist, dass ich zahlreiche Werke noch gar nicht in meinem Zettelkasten habe, sondern noch auf OneNote. Vieles von Kant gehört dazu, aber auch Kassandra von Christa Wolf, Haruki Murakami, Annette von Droste Hülshoff und Ernest Hemingway.
Fasst man die dicht beieinander liegenden Gedichte von Goethe, Brecht und Ausländer zusammen, ergeben diese mit Sicherheit auch eine recht ordentliche Summe.
Andererseits gibt es auch Werke, die ich bisher noch kaum mit schriftlichen Anmerkungen versehen habe. So finden sich gleich zu Beginn zahlreiche Aufsätze von Adorno, Barthes und Benjamin, aber auch zum Beispiel Sartre und die Philosophische Grammatik von Ludwig Wittgenstein. Letzteres wundert mich tatsächlich, da ich dieses Buch recht ausführlich gelesen habe; allerdings habe ich mir nicht so viele Notizen dazu gemacht, und, wie ich gerade feststelle, stehen diese Notizen weitestgehend auch noch OneNote selbst.

Schlagwörter

Fast alle häufig benutzten Wörter für die Verschlagwortung entstammen der Literaturwissenschaft, der Rhetorik oder dem Bereich des kreativen Schreibens. Die ersten zehn lauten:
Metapher, narratives Rätsel, Konnotation, Kreativität, Begriffsbildung, Aufmerksamkeit, Metakognition, Sprachspiel, semantische Opposition, Wortgebrauch.
Das erste Wort, welches deutlich nicht mit Sprach- oder Literaturwissenschaft zusammenhängt, ist das Wort Winnenden. Doch auch das scheint nur so, denn damals habe ich zahlreiche Artikel, die sich zu diesem Ereignis geäußert haben, zudem auch viele Leserbriefe und Internetforen, durchgearbeitet. Es ist also nicht verwunderlich, dass dieses Wort eine so prominente Stelle bekommt; und da ich hier tatsächlich die ganze Rhetorik aufgerollt habe, ist es dann doch kein aus einem ganz anderen Bereich stammendes Wort. Schätzungsweise ist tatsächlich das allererste Wort, welches wirklich nicht mehr auf ein sprachliches Phänomen hinweist, das Wort ADHS.
Jedenfalls habe ich jetzt vor, zumindest all die Bücher, die ich selbst besitze und die bisher nur mit einem Stichwort bedacht worden sind, „anzureichern“: ich werde sie weiter kommentieren und dann in den Zettelkasten übertragen, so dass hier auf den unteren Rängen nur die Bücher übrig bleiben, für meine Kunden gelesen habe, mir selbst aber wenig bedeutet haben.

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