Und mal abgesehen davon, dass meine Kinder (also meine Schüler eigentlich) sich fragen, warum die Tagesfrage Tagesfrage heißt und nicht Wochenfrage, hat mir hier meine Kollegin ein zwar arbeitsintensives, aber ganz hervorragendes Instrument überlassen, mit dem sich Kinder individuell fördern lassen.
Meine Sonntagstätigkeit
Sicherlich: ich war heute, wie jeden Sonntag, anderthalb Stunden draußen. Es war noch recht kalt, aber durch den Sonnenschein haben sich zahlreiche Menschen im Mauerpark und auf dem Flohmarkt direkt daneben eingefunden. Ich war außerdem bei meinem Lieblings-Vietnamesen essen; mittlerweile bekomme ich mein Hühnchen in Kokosmilch immer schön scharf, so wie ich es brauche, wenn ich bereits einige Stunden über den Texten meiner Schüler gebrütet habe.
Und genau das mache ich derzeit jeden Sonntag. Für 72 Schüler schaue ich 72 Texte durch, benote sie, und, was wesentlich wichtiger ist, schreibe den Schülern einen Kommentar dazu, meinen wöchentlichen Brief.
Die Themen
Die Themen sind mittlerweile weit gefasst. Einige Schüler haben ein Gedicht von Rose Ausländer interpretiert (jawohl!). Es handelt sich um das Gedicht Der Waldberg, das ich vor einigen Tagen selbst mit einer Interpretation hier in diesen Blog gestellt habe. Es ist sehr faszinierend, wie unterschiedlich die Kinder dieses Gedicht behandelt haben und in wie viele verschiedene Richtungen ihre Deutungen streben. Dabei entstehen ganz neue Arten und Weisen, das Gedicht zu betrachten; jede ist für sich gut. Natürlich sind diese Interpretationen nicht auf universitärem Niveau, aber doch so, dass man bei dem einen oder anderen eher auf einen guten Schüler der neunten Klasse schließen würde.
Die meisten Schüler haben allerdings einen Brief geschrieben an eine Person, die etwas Wichtiges in ihrem Leben verändern soll. Auch dabei sind schöne Texte entstanden.
Andere wiederum haben sich Gedanken dazu gemacht, warum wir Menschen sinnliche und gedachte Unterschiede brauchen. Das war ein sehr philosophisches Thema, zu dem einige ganz faszinierende Deutungen entstanden sind. Ich wünschte, ich könnte sie hier veröffentlichen, so gut sind sie geworden.
Rechtschreibung
Meine Vorgängerin hat mir diese Wochenfrage überlassen mit den Worten, dass diese Übung sowohl für die Rechtschreibung als auch für die individuelle Ausdrucksfähigkeit wichtig sei. Weil hier einige Schüler dabei waren, die sich hervorragend ausgedrückt haben, habe ich mir gedacht, dass ich für diese Schüler Zusatzaufgaben gebe, die etwas schwieriger sind. Da beißen sich die Schüler gerade auch durch. Am Anfang waren die Antworten noch so lala; mittlerweile aber sind einige ganz tolle Texte entstanden.
Jedenfalls ist diese Kombination des wöchentlichen Schreibens, der individuellen, verbalen Rückmeldung und schließlich das Instrument der Übungswörter (das erkläre ich gleich) für die schwächeren Schüler eine tolle Sache. Einige von ihnen haben mittlerweile ganz wunderbare Fortschritte in der Rechtschreibung gemacht, auch die Kinder, bei denen eine Lese-Schreibschwäche vorliegt.
Für die Übungswörter schreibe ich alle falsch geschriebenen Wörter in grün hinter den Text: die Schüler schreiben diese Wörter dann zweimal ab.
Freiarbeit
Für diese Technik ist es wichtig, dass die Schüler genügend Zeit haben, die Texte zu schreiben. Sie brauchen also die Möglichkeit, frei zu arbeiten in offenen Lernzeiten. Solche Möglichkeiten bieten Regelschulen im allgemeinen nicht.
Noch anderes, was zu tun ist
Ich sollte langsam machen. Es gibt ja auch noch andere Dinge in meinem Leben, die ich gerade stark vernachlässige. Und immer wieder entdecke ich neue Sachen, die zu tun sind. So will ich mich eigentlich seit Wochen wieder intensiver mit dem Zeichnen beschäftigen. Für meinen Schreibtisch habe ich mir auch eine Schneidemappe besorgt. So gut das Montessori-Material auch ist: das eine oder andere muss dann doch noch einmal für die Schüler hergestellt werden.
Ich habe mir zahlreiche Bücher gekauft. So richtig zum Lesen bin ich noch nicht gekommen. Und so wie ich das sehe, wird das auch in der nächsten Zeit nichts. Meine Winterferien sind sang- und klanglos in der Arbeit verpufft.
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