Elgin weist darauf hin, dass das Denken aktiv an der Wahrnehmung beteiligt ist, so wie umgekehrt (Goodman/Elgin: Revisionen. Frankfurt am Main 1993, S. 19). Aus diesem Grund bestimmen Erfahrungen die Art und Weise der Wahrnehmung mit. Sie sind kulturspezifisch – wobei kulturspezifisch hier nur heißt, dass sie von der Kultur beeinflusst werden, nicht dass sie sich einer bestimmten Kultur, etwa der deutschen, zuordnen lassen.
Farbtöne
Nun lassen sich Sinnesdaten nicht direkt vergleichen und daher auch nicht direkt aufeinander abstimmen. Bei Farben zum Beispiel nutzt man Muster und verschiedene Bezeichnungen, um verschiedene Farbtöne gegeneinander abzugrenzen, wie etwa grasgrün und französischgrün. Ohne solche Muster aber ist der Vergleich schwer. Und die Erfahrung zeigt, dass ein bestimmtes Grün von dem einen noch zur Farbe Grün, von einem anderen bereits zur Farbe Blau zugeordnet wird.
Projezieren
Wittgenstein schreibt (Bd. IV, Abschnitt 49), dass eine geometrische Figur durch eine Projektionsmethode kopiert werden kann, also durch eine Abmachung, wie diese Figur zu verändern sei. Genau dann kann ich aber die umgekehrte Projektion mit sehen oder eben die Projektion, anders gesagt, im Geiste rückgängig machen. Das ermöglicht mir die Sichtweise auf die Ähnlichkeit oder eben Gleichheit.
Geometrisieren
Davon zu unterscheiden ist die regelhafte Verschiebung auf einer Farbskala. Denn eine Farbe ist wohl evident. Wir sehen sie. Eine geometrische Figur dagegen ist nur mittelbar evident, denn zunächst sehen wir nur Linien und Punkte. Erst daraus erzeuge ich eine geometrische Figur. Wollte man also Farben für eine ähnliche Weise der Betrachtung gebrauchen, dürfte man nicht die Projektion von Farben auf eine andere Farbe ins Auge nehmen, sondern deren Position auf einer Farbskala.
Die Farbskala
Erst die Farbskala ermöglicht eine gewisse Möglichkeit, mit Farben zu operieren und diese in einen komplexeren Bezug zueinander zu setzen. Denn die Farbskala besteht eben nicht nur aus Farben, sondern auch aus einem Raum, bzw. einer Strecke (oder, im Falle des Farbkreises, aus einem Kreis und einem zyklischen Übergang). Eine Farbskala wird demnach nicht nur durch die Farben, sondern durch ihre räumliche und damit bedingt messbare Anordnung zu einer Farbskala. Und vergleiche ich dann die Farben oder vergleiche ich die Anordnung auf der Skala?
Farben vergleichen
Wie aber vergleiche ich Farben?
Ich kann zum Beispiel sagen: »Dieses Blau ist heller als jenes.« Dann aber vergleiche ich die beiden Blaus in Bezug auf die Farbe Weiß. Ich nutze eine „eindeutige“ Referenzfarbe. Weiß und schwarz sind eben auf der Skala der Helligkeit die äußersten Pole. Ein Blau, das weiß ist, kann nicht noch „hellblauer“ werden.
Oder ich kann sagen: »Dieses Blaugrün ist grüner als jenes Blaugrün.« Dann nutze ich aber ein gedachtes Grün als Referenzfarbe. Und der andere mag mir zustimmen, egal welches Grün für ihn nun die Referenzfarbe ist, solange er zum Vergleich die Referenzfarbe Blau mit hinzunehmen kann und dazwischen die beiden Arten des Blaugrüns platzieren kann.
Problematisch wird nur, die genaue Referenzfarbe zu bestimmen. Man könnte also fragen: »Liegt dieses Grün eher auf der gelben oder eher auf der blauen Seite deiner Referenzfarbe Grün?« und würde bei unterschiedlichen Menschen unterschiedliche Antworten bekommen. Und in dem einen Fall vergleiche ich auf der Grundlage einer Evidenz, und in dem anderen Fall auf der Grundlage einer (vermutlich erlernten) Skala.
Mischen: Farben oder physikalische Größen
Bei den Skalen handelt es sich um erlernte Verhältnisse. Auch wenn ich Farben durch Mischen immer auf dieselbe Art und Weise verändern kann, muss ich in einem Blau doch die Möglichkeit sehen, es zu einem Grün zu mischen, wenn ich Gelb hinzufüge. Das Grün-werden des Blaus ist nicht sinnlich gegeben. Es ist nicht evident.
Die Skala von Blau nach Gelb über Grün entsteht durch ein Mehr oder Weniger des Hinzumischens, also wiederum nicht durch die Farbe selbst, sondern durch eine Quantität. Die Quantität spielt für die farbliche Evidenz zwar keine Rolle, dafür aber für die Konstruktion einer Skala. Das projektive Verhältnis stützt sich, wie bei der projizierten geometrischen Figur, auf eine abstrakte Quantität (denn dem gelben Farbklecks, den ich dem Blau hinzufügen möchte, ist seine Quantität – in Bezug auf die Farbe – nicht eigen).
Fazit
An den Beispiel zeigt sich sehr schön, wie unabhängig die Farbskala von der konkreten sinnlichen Wahrnehmung der Farbe ist und sich auf ein Projektionsverhältnis von Mengen auf eine Fläche stützt.