31.12.2012

Analogieschluss. Spezifischer: ich, der Antisemit!

Ende November bekam ich auf eine Buchrezension vom Autor eine sehr böse Antwort. Zugegeben: freundlich bin ich mit dem Autor nicht umgegangen. Er hat eine Interpretationshilfe zum Homo Faber geschrieben und darin unter anderem behauptet, Walter Faber sterbe am Ende des Romans. Dies und zwei andere Kritikpunkte habe ich exemplarisch aufgeführt (es sind noch einige mehr), den Autoren einer schlechten Interpretation geziehen und nur einen Punkt vergeben mit der Aufforderung, die Finger von diesem Buch zu lassen.
Nein, das hat dem Autoren gar nicht gefallen!

Seine Antwort, warum seine Interpretation (die vom Tod Fabers) richtig sei, hat er versucht, mit dem Analogieschluss zu begründen. Ich habe ihm darauf hin einen falschen Gebrauch des Analogieschlusses vorgeworfen und dies in einem Artikel auf suite101 allgemein für die Literaturinterpretation genauer ausgeführt (Der Analogieschluss in der Literaturinterpretation).

Vor zwei Wochen habe ich dann eine E-Mail bekommen, wohl von einem anderen Deutschlehrer, der den Analogieschluss als richtig eingesetzt verteidigt hat. Nun, er hat ihn nicht verteidigt, sondern er hat einfach behauptet, dass das so richtig sei. Auf eine Nachfrage, was er damit meine, hat er die Richtigkeit des Analogieschlusses als Behauptung wiederholt (Marke: Analogieschlüsse sind richtig, weil sie richtig sind).
Ich habe ihm dann versucht zu erklären, warum Analogieschlüsse keinesfalls unter solchen Umständen zu Wahrheiten führen und zwar, ich gebe es zu, mit einem höchst moralischen Thema. Ich habe nämlich folgenden Analogieschluss konstruiert: „Ich habe noch nie Außerirdische gesehen. Außerirdische existieren nicht.“ (das ist die eine Seite des Analogieschlusses) und dies dann folgend ergänzt: „Ich habe noch nie Auschwitz gesehen. Auschwitz existiert nicht.“ Und schreibe noch danach: „Einer solchen Schlussfolgerung kann man doch nicht allen ernstes zustimmen.“
Ergebnis dieses kleinen E-Mail-Verkehrs war, dass ich als übler Antisemit beschimpft wurde. Das hat mich nun wirklich erstaunt.

Das Beispiel des Analogieschlusses von Außerirdischen auf Auschwitz zeigt übrigens die tatsächliche Gefahr und das tatsächliche Problem von solchen Analogieschlüssen. Solche Schlussfolgerungen erhalten ihre Konsistenz aus der empirischen Basis. Aber schon hier muss man aufpassen: Konsistenz heißt noch lange nicht Wahrheit. Letzten Endes müssen Analogieschlüsse, die die schwächste und unsicherste Art der Schlussfolgerungen darstellen, möglichst durch bessere und sicherere Schlussfolgerungen ersetzt werden.
Ob dort jemand durch die Welt läuft, sich vorstellt, dass Walter Faber stirbt oder sich grün anpinselt, das ist mir doch eigentlich ziemlich egal. Methodisch aber habe ich hoffentlich deutlich gemacht, wohin eine solche Argumentationsweise im Zweifelsfall führen kann: zu einer Auslöschung von Tatsachen (also zum Beispiel zur Leugnung von Auschwitz). Und das finde ich dann überhaupt nicht mehr lustig.

2 Kommentare :

ezzy hat gesagt…

ZA Methodisch aber habe ich hoffentlich deutlich gemacht, wohin eine solche Argumentationsweise im Zweifelsfall führen kann: zu einer Auslöschung von Tatsachen (also zum Beispiel der Leugnung von Auschwitz). Und das finde ich dann überhaupt nicht mehr lustig.ZE

Ihre Veraergerung ist mir verstaendlich. gerade aber darum ,usste ich am Ende ueber den gramatikalischen Wirbel laechen, in den Sie sich hineingeritten haben.
Wenn Sie im Klammersatz "der" durch "zur" ersetzten, waere ihre Argumentation wieder stimmig.

(bin kein Deutschlehrer, trotzdem in der Sprache zuhause)

schoenen gruss dann - von schreibtisch zu schreibtisch ;-)

Frederik Weitz hat gesagt…

Lieber Ezzy!
Wieder einmal tausend Dank für Ihre Aufmerksamkeit und die konstruktive Kritik. Ich habe es gleich geändert.
Einen schönen Gruß an den Schreibtisch zurück.
Frederik Weitz