Der Präsident des Digitalverbands Bitkom, Achim Berg, hat für die Schulen das Fach Programmieren gewünscht. Dagegen ist im Prinzip nichts zu sagen. Ich hätte dieses Fach auch lieber heute als morgen regelhaft auf der Stundentafel stehen. Es gibt allerdings zwei gravierende Einwände, hier auf die üblichen Verfahrensweisen in der Schule zurückzugreifen.
Interdisziplinarität
Wie viele moderne Wissenschaften ist auch das Programmieren eine interdisziplinäre. Dies findet man eigentlich bei allen Wissenschaften mit einem praktischen Anwendungsbereich; historisch gesehen also zum Beispiel auch bei der Medizin und der Juristik. Die Pädagogik ist ebenfalls ein interdisziplinärer Fachbereich, und das nicht nur deshalb, weil Pädagogen immer auch unterschiedliche Fächer studieren, die später den Lernstoff für den Unterricht bilden.
Tatsächlich ist die Idee der Interdisziplinarität sogar ein recht altes Phänomen. Von den sogenannten Universalgelehrten über immerhin noch sehr weit tragende Philosophen (zum Beispiel Leibniz) bis zu den Neukantianern (Ernst Mach zum Beispiel war zugleich Physiker, Psychologe und Philosoph) sind die klassischen Disziplinen zwar in den Fakultäten getrennt, aber durch die persönlichen Interessen immer wieder auch aufgeweicht und mit fruchtbaren Gedanken versorgt worden.
Programmieren nun automatisiert Arbeitsprozesse; und diese Arbeitsprozesse liegen gerade außerhalb des Programmierens, jenseits des eigentlichen Fachs. Die Frage ist also, ob sich nicht im Zuge moderner Unterrichtsgestaltung weniger das Fach Programmieren mit zusätzlichen Unterrichtsstunden anbietet, als vielmehr dieses integrativ in den Unterricht hineinzunehmen.
Voraussetzungen des Programmierens
Ich habe es heute Morgen schon geschrieben: ein wichtiger Aspekt meiner derzeitigen Arbeit ist die didaktisch-methodische Aufbereitung des Programmierens. Dazu gehören auch Lernvoraussetzungen und begleitendes Lernen darzustellen. Das begleitende Lernen behandelt parallel zu einem Lernstoff weitere Lernstoffe, die sich gegenseitig stützen und zu „synergetischen“ Effekten führt. Bei den Lernvoraussetzungen hat man, je nach Stand des Wissens notwendige Kompetenzen für weitere Lernschritte herauszuarbeiten.
So ist zum Beispiel bei grafischen Spielen eine grundlegende Kenntnis des Koordinatensystems unerlässlich, sofern diese nicht allzu dilettantisch ausfallen sollen. Und wenn wir bei den grafischen Spielen bleiben, dann sind auch die Möglichkeiten der künstlerischen Gestaltung wichtig, um zu ansprechenden Grafiken zu kommen.
Sofern ich die Literatur der Zeit überblicke, sind diese Voraussetzungen für das Programmieren nur wenig analysiert worden. Das allerdings wäre nun kein Problem, nein, es ist tatsächlich kein Problem. Dazu sind keine umfangreichen Studien notwendig, sondern nur einigermaßen erfahrene Pädagogen, die das Lernmaterial ordentlich analysieren und Querverbindungen zu anderen Lernstoffen ziehen.
Das einzige Hindernis dabei ist, dass man dafür Zeit braucht. Mir ist zwar relativ klar, dass Geometrie und Grammatik stark in das Programmieren hinein spielen; aber die feineren Verbindungslinien zwischen diesen Gebieten und zu anderen Voraussetzungen habe ich bisher nur in Einzelfällen skizzieren können. Es wäre ja schon großartig, wenn es überhaupt ein paar Artikel mit Hintergrundinformationen dazu gäbe, statt hier immer wieder den reinen Pragmatismus zu pflegen. Der ist zwar für den raschen Gebrauch im Unterricht ganz nett, aber für eine tiefere Auseinandersetzung mit den Bildungsinhalten des Stoffes zu oberflächlich.
Logik der Arbeit
Mit der Logik allerdings hat der gute Herr Berg es dann doch nicht so richtig. Wenn in den nächsten 20 Jahren die Hälfte der Aufgaben von Maschinen und Computern erledigt werden, könnte man doch meinen, dass die Menschen dann auch nur noch die Hälfte der Zeit arbeiten müssten. Wir leben sowieso in einer Zeit der Überproduktion, und das nicht erst, seitdem das Computerzeitalter angebrochen ist.
Aber nein. Es wird nicht umverteilt. Das bedingungslose Grundeinkommen wird nicht ausgedehnt. Stattdessen setzt man auf den digitalisierten Arbeitsmarkt. Zwar ist das nicht falsch, aber eben nur ein Teil der Wahrheit. Der Arbeitsmarkt muss sich eben ändern; und auch das Leben der Menschen muss neu überdacht werden. Gerade das darf nicht nationalen Animositäten und einem weltweit gefräßigen Kapitalismus scheitern.
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