19.04.2014

G7 oder G8

Und die deutsche Schullandschaft. Das ist doch auch ein netter Aufreger. Beim Durchstöbern der Meinungen ist mir vor allem aufgefallen, dass es bloß Meinungen sind. Und dass hier die Verantwortung für die eigenen Kinder gleich auf ganz hohe Ebene verlagert werden soll. Für das eigene Kind immer nur das Mächtigste. Lokale Gottheiten? Mit sowas geben wir uns gar nicht erst zufrieden.
Es ist eine seltsame Mischung aus beschränkter Wichtigtuerei, ängstlichem Geraunze und esoterischem Pamphletismus, der bei den zunehmend lauteren Forderungen, die 13jährige Schullaufbahn wieder einzuführen, im Vordergrund steht. Wie schon bei der Einführung der G7 die Behörden versäumt haben, den Stoff entsprechend zu kürzen. Insofern stimmt es, dass hier die fehlende Einigung zwischen Eltern und Behörden auf dem Rücken der Schüler ausgetragen wurde.
Nur wird das ganze Elend der deutschen Bildungslandschaft von einer überkommenen Idee der Bildung getragen, die die so wichtige pädagogische Forschung der letzten dreißig Jahre gerne außer Acht lässt: Methodenkompetenz, Modellkompetenz, Metakognition; das alles spielt eine viel zu geringe Rolle bei den Forderungen nach einer besseren Schulbildung.

Methodenkompetenz

Wie wichtig diese ist, erfahre ich in meiner Arbeit tagtäglich. Sammeln, ordnen, Modelle anwenden, skizzieren (ich skizziere in letzter Zeit sehr viel als halb räumliche, halb texthafte Aufzeichnungen), all das sind wichtige Verfahren, um sich einen Text, einen Sachverhalt anzueignen.
Methoden machen deshalb so viel Spaß, weil sie einen vorantreiben, einen ausprobieren und entdecken lassen. Ihr Vorteil liegt gerade auch darin, dass sie nicht inhaltlich gebunden sind. Man muss nur aushalten können, dass man auf Wege gerät, auf denen man (zunächst) nicht weiterkommt.

Modellkompetenz

Diese Kompetenz beschäftigt mich seit Jahren. Als ich vor einigen Jahren die Stufen der Lesefertigkeit veröffentlicht habe, kannte ich dieses Wort noch nicht. Aber im Prinzip waren die sechs Stufen nichts anderes als verschiedene Formen der Modellkompetenz, wenn auch nur auf das Lesen bezogen.
Die Modellkompetenz ist, und das gefällt mir außerordentlich gut, zugleich eine Fähigkeit, die streng an den empirischen Tatsachen arbeitet, bzw. dazu anleitet, aber zugleich sehr kreativ werden kann. Die Kreativität ereignet sich allerdings weniger durch ein Dazuerfinden, obwohl das auch möglich ist, als durch ein Ausfiltern oder Vermischen.
Seit vier Monaten schreibe ich mir mit einem Kunden, der sehr intensiv Deleuze liest. Deshalb habe ich mir auch, nebenbei, mal wieder die Einführungen zu Deleuze angesehen. In Bezug auf die Modellkompetenz/Methodenkompetenz lässt sich nun eine Passage aus der Einführung von Michaela Ott wunderbar zitieren:
Diesem unerschöpflichen Produktionsprozess denkerisch zu entsprechen ist das Ethos der deleuzeschen Philosophie. Aufgabe des Philosophen ist mithin die fortgesetzte denkerische Differenzierung des Gegebenen, genauer der vorgängigen Denkpläne in Begriffsarbeit und Plankonstruktion. Alte Denkpläne zerdehnen, um ihnen neue einzufügen, sie umbrechen auf in ihnen schlummernde Mikrostrukturen hin, die planimmanenten Zeichen und Begriffe verlängern auf andere Begriffe hin, diese flektieren, verkleinern, das differenzgenerierende Element aus ihnen herauslösen und erneut in sie injizieren — auf dass sie als anderes Denken erstehen. In diesem kreativen Sinn erweiterbar erscheinen die Immanenzebenen all jener philosophischen Ansätze, die nicht auf Universalien oder Urbildern basieren, im Denken nicht auf Repräsentation setzen, keinen Dualismus des Innen und Außen, keine immanenten Hierarchien und binären Unterteilungen vornehmen, keine Klassifikationen festschreiben und das Denken keiner Teleologie unterstellen. (S. 36 f.)

Metakognition

Mag ich nicht mehr erklären. Ich verweise auf meinen Artikel Gruppendenken und dumme Entscheidungen.

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